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Das Recht und die Robotik

Roboter bahnen sich zunehmend ihren Weg in die verschiedenen Bereiche menschlichen Lebens. Der Einsatz dieser Maschinen ist längst nicht mehr auf den industriellen Bereich beschränkt. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten auch der militärische, medizinische und häusliche Bereich. 

Nutzen und Gefahr

Ziel der Robotik ist es, durch Programmierung ein gesteuertes Zusammenarbeiten der Roboter-Elek- tronik und Roboter-Mechanik herzustellen. Je intelligenter Robotersysteme werden, desto eigenwilliger und unberechenbarer werden sie, da sich das Verhalten des Roboters durch Lernprozesse kontinuierlich verändert. Ein solches System kann sich somit zum Nutzen der Gesellschaft flexibel auf neue Umweltgegebenheiten einstellen. Die Unwägbarkeit des faktischen Verhaltens ist die Kehrseite der Medaille.

Wer haftet, wenn Roboter durchdrehen?

Man stelle sich dieses Dilemma illustrativ an folgendem Beispiel vor: "Ein älterer, gehbehinderter Mann lässt sich von seinem Transport Rollstuhl in die Stadt zum Einkaufen fahren. Das Gerät findet den Weg von allein, nachdem sein Besitzer ihm das Ziel eingegeben hat. Unterwegs weicht der Rollstuhl einem Hindernis aus und bringt dadurch einen Radfahrer zu Sturz, der schwere Kopfverletzungen erleidet.» Wer ist rechtlich für die Folgen verantwortlich: der ältere Mann, der Hersteller des Rollstuhls, der Programmierer, oder der Roboter selbst? Probleme bereiten dabei nicht nur mechanische Roboter, die ausser Kontrolle geraten sind und Schäden und Verletzte hinterlassen. Auch moderne Medizintechnik könnte ungeahnte juristische und moralische Probleme aufwerfen, warnen die Forscher. Im Internet kursieren Meldungen, wonach es für Parkinson-Patienten die Möglichkeit gibt, sich einen Hirnschrittmacher einsetzen zu lassen, der mit elektrischen Impulsen einige Symptome dieser Krankheit lindern kann. Allerdings habe sich gezeigt, dass der Schrittmacher gleichzeitig den Sexualtrieb steigert. Wer ist verantwortlich, wenn ein Betroffener eine Drittperson sexuell nötigt: Die Person oder der Hersteller des Schrittmachers?

Unfallverhütung

Industrieroboter werden durch gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen wie Käfige, Gitter, Lichtschranken oder andere Barrieren abgesichert. Mit zunehmender Autonomie jedoch benötigen gegenwärtige oder zukünftige, komplexere Robotersysteme den Umständen entsprechend angepasste Sicherheitsvorkehrungen. Durch den vielfältigen Einsatz von Robotern ist es schwierig, universelle Si- cherheitsregeln für alle Roboter aufzustellen. Auch die von Science- Fiction-Autor Isaac Asimov in seinen Romanen aufgestellten «Drei (bzw. vier) Regeln der Robotik» (Robotergesetze) können nur als ethische Richtlinien für eine mögliche Programmierung verstanden werden, da unvorhersehbare Situationen vom Roboter nicht kalkulierbar sind. Je autonomer ein Roboter im Umfeld des Menschen agiert, desto grösser dürfte der Nutzen für die Gesellschaft, aber auch die Gefahr sein, dass Lebewesen oder Gegenstände zu Schaden kommen könnten.

Das Recht hinkt hinterher

Das Recht ist auf diese Herausforderung bislang nicht vorbereitet. Offene Fragen bestehen hinsichtlich Haftungsadressaten, Mitverantwortung Dritter, Kausalitäts- und Zurechnungsstrukturen, Sorgfalts- anforderungen sowie Rechtfertigungsgründen. Roboter können (bis jetzt) auch nicht vor Gerichtverurteilt werden – zerstören sie etwas, ist der Mensch verantwortlich. Ein Forschungsprojekt der Uni Würzbürg unter der Leitung des Juristen Eric Hilgendorf und des Robotik-Experten Klaus Schilling widmet sich seit einigen Jahren diesen Fragen.

Zum Nachdenken

Vor einem Richter in New York steht Harry Johns, ein Mann mittleren Alters. Auf der Gegenseite der Anwalt der Cybernetics Comp, einem US-Hersteller von Prothesen. Mitten im Verfahren springt der Anwalt plötzlich auf: «Herr Richter, zu der Hauptsache möchte ich noch bemerken, dass der Beklagte im Grunde genommen gar kein Beklagter ist, sondern ein materieller Gegenstand, der behauptet, sich selbst zu gehören.» Von Harry Johns, so argumentiert der Konzernanwalt, sei nur noch die rechte Gehirnhälfte übrig - alles andere sei Eigentum der Cybernetics Comp. Der Konzern verlangt die Rückgabe seines Eigentums, doch das würde Johns - oder das, was von ihm übrig ist – umbringen. (Beispiel ist fiktiv; Autor: Stanislaw Lem; gefunden auf www.handelsblatt.de)